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38.1 Nevins Probe

  Nevins Herz hatte seit Stunden nicht mehr aufgeh?rt in seiner Brust zu h?mmern. Er sollte eigentlich schlafen. Durch die Gitterst?be der kleinen Luke, die hoch über ihm lag, drang kein Licht in den dunklen Turm, in dem ihre Zelle lag. Doch Schlaf war schon seit Tagen nicht mehr gekommen. Es war unm?glich, wenn sein Herz so heftig schlug, dass Nevin es im ganzen K?rper spürte. Wenn eiskalter Schwei? regelm??ig seine Haut bedeckte. Wenn er unaufh?rlich den warmen Strom in seinem Bein wieder zurückdrücken musste. Der Fluch b?umte sich auf und lie? sich kaum zurückhalten. Sollte Nevin auch nur einen Augenblick nachlassen ...

  Nevins ganzer K?rper schmerzte vor Anstrengung. Sein Kopf dr?hnte und pochte. Die eiserne Fu?fessel, die ihn an der Zellenwand gefangen hielt, schob er weiter sein Bein hoch, um den Fluch abzuschnüren. Es dauerte nicht lang und sein Bein kribbelte und ertaubte.

  ?Nevin, du solltest schlafen?, kam es von der gegenüberliegenden Seite der runden Zelle. Dort war Dilek angekettet. Nevin wagte es nicht, seine Nachtsicht zu benutzen, doch Dileks Stimme war genug, um ihn von seiner steigenden Panik abzulenken.

  ?Unm?glich. Der Fluch.?

  ?Ich wei?, ich rieche ihn. Aber lange h?tlst du nicht mehr durch.?

  ?Ich will mich nicht verwandeln.?

  Dilek seufzte. ?Es tut mir so leid.? Gestern hatte Dilek angefangen zu schwitzen und nerv?s in die Ferne zu blicken, w?hrend er seine Schulter st?ndig massiert hatte. Er hatte selbst langsam immer mehr mit dem Fluch zu k?mpfen.

  Nevin hoffte, dass Elyon bald kommen würde. Er konnte ahnen, dass sie in H?hental mit wichtigen Dingen besch?ftigt war. Doch er wusste nicht, ob er überleben konnte, sollte er sich hier in dieser Zelle vollst?ndig verwandeln.

  Sie waren in einem hohen Turm eingesperrt worden, dessen W?nde mit Kratzspuren versehen waren. Sehr gro?e Kratzspuren. Wie viele Drachen waren hier bereits gefangen gehalten worden? Die steinernen W?nde waren stabil genug, um selbst Nevin und Dilek in ihren riesigen Drachenformen standhalten zu k?nnen.

  Die einzigen ?ffnungen waren ein kleiner Luftschacht, versehen mit dicken Eisenst?ben. Direkt daneben lag ein weiterer Schacht, direkt unter dem Dach. Dessen Eisentür wurde zweimal am Tag ge?ffnet. Einmal um Essen und Wasser zu bringen, ein zweites Mal, um die Nachtt?pfe zu wechseln. Sollten die Wachen ihn in seiner Drachengestalt erwischen, würden sie es sofort seinem Vater berichten. Dann würde sein Leben h?chstwahrscheinlich ein Ende nehmen.

  ?Wenigstens dein Bruder k?nnte mal von sich h?ren lassen. Ich meine, er pinkelt sich wahrscheinlich t?glich in seine Seidenhosen, weil er sich um dich sorgt.?

  Das brachte ein kleines L?cheln auf Nevins Lippen. Doch sein schmerzender Kopf verscheuchte es schnell wieder.

  Da hallte ein Klacken durch den Turm und Nevins Blick wanderte sofort hinauf. Der Schacht ?ffnete sich und der Schein einer Fackel tauchte die Eisentür in goldenes Licht.

  Es war zu früh für ihre t?gliche Mahlzeit.

  Nevins Herz machte einen Sprung. Konnte es sein? War es Elyon?

  Als die Wachen eine Leiter herablie?en, war Nevin überzeugt, dass es nur zwei Gründe haben konnte. Entweder, Elyon war gekommen, oder, sein Vater hatte beschlossen, viel früher sein Leben zu beenden. Doch er war zu ersch?pft, um sich weiter Gedanken darüberzumachen, was nun wirklich passieren würde. Nevin stellte sich ?chzend auf die Beine, w?hrend er den armen Freiwilligen dabei beobachtete, wie er behutsam mit einer Hand, da die andere eine Fackel hielt, die Leiter hinabstieg.

  Weder er noch Dilek sagten ein Wort. Keiner der M?nner redeten wirklich mit ihnen. Sie antwortete auch auf keine ihrer Fragen. Trotzdem bedachten sie Nevin und Dilek mit Blicken, die gleichzeitig ?ngstlich und schuldbewusst waren. Jeder wusste, dass Dilek und Nevin zum Adel geh?rten. Es musste seltsam für sie sein, sie pl?tzlich wie Gefangene zu behandeln.

  ?Folgt mir. Der Kaiser wartet drau?en auf euch. Fliehen hat keinen Zweck, gleich oben am Eingang warten Drachenj?ger auf euch.?

  Dilek und Nevin musste unten warten, w?hrend der Wachmann die Fackel an einem Halter feststeckte, dann die Ketten von den Wandringen l?ste und an seinem Ledergürtel festmachte.

  Es w?re so einfach, den Mann als Geisel zu nehmen, oder blitzschnell hinauf zu springen und die anderen Wachen zu erledigen.

  Dilek w?re eher versucht, eine Flucht zu wagen. Nevin konnte es sich nicht leisten. Er musste sich besonnen verhalten. Noch war er ein offizieller Thronfolger. Und er dachte nicht daran, solange er noch diesen Titel besa?, das Volk im Stich zu lassen.

  Deswegen lie? er sich als Gefangener aus dem Turm hinausführen. Als er drau?en den Balkon des Turms betrat, nahm er einen tiefen Atemzug der kühlen Nachtluft ein, w?hrend die M?nner ihn und Dilek die Au?entreppen des Turms hinunterführten.

  Der Nachthimmel war klar und Sternen erhellten das unendliche Dunkelblau über ihnen. Er betrachtete jeden wei?en Punkt, da er nicht wusste, wann er diese Gelegenheit wieder bekommen würde. Ob sie überhaupt noch kommen würde.

  Als sie unten ankamen, achtete Nevin zuerst auf das Gefühl, wieder auf Gras gehen zu dürfen, als auf die Gesellschaft, die ihm entgegenstarrte.

  Es war sein Vater, begleitet von Idris, Aik und fünfzig seiner besten K?mpfer und Drachenj?ger, die sich hinter ihm zu einer halbrunden Kompanie aufgestellt hatten.

  Nun war Nevin sich sicher, sie würden losziehen, um Elyon zu treffen. Eine Erleichterung breitete sich in ihm aus, seine Schultern knackten kurz, w?hrend sie sich entspannten. Erst jetzt fiel ihm auf, wie knapp er die letzten Stunden ein- und ausgeatmet hatte. Jetzt konnten sich seine Lungen viel mehr weiten und die kühle Luft, die durch seine Nase zog, vertrieb ein wenig von den pochenden Kopfschmerzen.

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  Der Kaiser nickte ihm nur kurz zu, seine Augen zu schlitzen zusammengezogen. Er brummte etwas, dann wurden zwei Pferde gebracht. Zwei Drachenj?ger halfen ihnen, aufzusteigen, ohne ein einziges Mal die Nevins und Dileks Ketten in ihren H?nden zu lockern. Danach sa?en sie selbst auf und der Kaiser ritt voran. Vier Drachenj?ger ritten um die beiden. Ihre Arme waren um einiges breiter als Dileks. Und hinter ihnen, ritten noch mehr Drachenj?ger, leicht an ihren grauen M?nteln zu erkennen, auf denen Drachen mit schwarzem Garn bestickt worden waren.

  Idris warf ihm von vorne immer wieder geh?ssige Blicke zu und als Nevin ihm mit einem eigenen begegnete, schmunzelte sein ?lterer Bruder nur voller Genugtuung und ritt n?her an ihren Vater heran.

  Nevin verdrehte die Augen und betrachtete die Umgebung. Der Turm lag abseits des K?nigreichs, in einem Wald, nicht weit von den Wilden Steppen. Wenn seine Sinne ihn nicht t?uschten, steuerten sie geradewegs auf die weiten Wiesen zu.

  Die Sonne ging gerade auf und Nevin schloss die Augen, um die langsam auftauchenden Strahlen zu genie?en, die seinen Rücken w?rmten. Der Fluch war still, sein K?rper fühlte sich weder überhitzt noch überspannt an. Auch Dilek sa? ruhig auf dem Pferd, sein Kinn entspannt. Trotzdem beobachtete er aufmerksam die Umgebung. Eine Gewohnheit, die ihm als Nevins Leibw?chter beigebracht worden war.

  Als sie den Wald verlie?en und die offene Steppe betraten, strahlte der Himmel in hellen, gelben T?nen. Nebelschwaden bedeckten das goldgrüne Gras und lie?en die Umgebung verschwimmen, sodass alles unwirklich aussah. Doch trotz des Nebels, konnte man in der Ferne das r?tliche Gestein von H?hental ausmachen.

  Bald begann sich der Nebel leicht zu lichten und der Umriss von etwas anderem tauchte durch den wei?en Schleier auf. Eine Herde Riesenbüffel. Die Umrisse wurden so schnell gr??er, dass Nevin sich sicher war, dass die Tiere gerade auf sie zu galoppierte. Hoffentlich unter Elyons Kommando und nicht, weil sie in Rage waren. Die ersten Pferde begannen nerv?s zu schnauben.

  ?Es ist sie?, wisperte Dilek und Nevin erwischte gerade noch seine Dracheniriden, ehe sie verschwanden.

  Als Nevin ein paar Gestalten auf den Nacken der Riesenbüffel erkannte, drosselten die gigantischen Rinder ihr Tempo. Das beruhigte die Pferde dennoch nicht, die immer noch brummten und wieherten. Nevins Vater befahl ihnen anzuhalten.

  Die M?nner sahen nerv?s aus. Doch Nevin fühlte sich noch entspannter. Elyons hatte mal wieder ihre Weisheit bewiesen, denn nun würde selbst der Kaiser kaum gegen sie ankommen k?nnen. Selbst mit all seinen K?mpfern und Drachenj?ger. Waffen verhedderten sich leicht in dem dichten Fell der Riesenbüffel. Und sollten sie ihr Maul aufmachen um zu R?hren, war es unm?glich, sich ihnen zu n?hern. Selbst Aik mit seinen übermenschlichen F?higkeiten sollte nicht leicht gegen die Rinder ankommen k?nnen. Elyon war überm?chtig. Und die Genugtuung brachte Nevin zum Schmunzeln. Er brauchte das Gesicht seines Vaters gar nicht erst zu sehen, um zu wissen, dass die ersten Schwei?tropfen seine Schl?fen herunterrannen.

  Trotzdem schien es für Nevin, dass es eine halbe Ewigkeit dauerte, ehe der gr??te der Riesenbüffel, auf dem Elyon und Finan sa?en, vor ihnen zum Stehen kam. Sie schnalzte zweimal und der Büffel legte sich ins Gras. Elyon stand auf und Nevin blieb an ihren Augen h?ngen. Seine Brust zog sich zusammen, als er die wei?en Flecken auf ihren Augen sah. Doch das war nicht alles. Ein abgemagertes, blasses Gesicht, dunkle Augenringe und dann, ihre fehlende Hand. Trotzdem starrte Elyon auf sie hinab, mit von sich ausgestreckter Brust und leicht nach oben gerichtete Nase, als w?re sie der Kaiser.

  ?M?gen Kraft, Weisheit und Mitgefühl Euch leiten und Eure Jahre ewig sein, Eure Kaiserliche Majest?t?, sagte Elyon.

  Nevin stand zu weit hinten, er konnte den Gesichtsausdruck seines Vaters nicht sehen.

  ?Prinzessin, ich m?chte mit Euch lieber auf Augenh?he sprechen?, donnerte der Kaiser und wollte noch etwas ansetzen, doch er wurde von leises R?hren unterbrochen. Alle M?nner zogen ihre Pferde ein paar Schritte zurück.

  ?Ich habe keine Zeit für H?flichkeiten. Die Zeit dr?ngt. Ich bin nur hier, um Euch von meinen Pl?nen zu berichten und um mich zu vergewissern, dass es Prinz Ilias gut geht. Lasst ihn vor meinem Bullen treten.? Das Tier unterstrich ihren Befehl mit einem weiteren Ruf.

  Sein Vater grummelte leise, dann bedeutete er Nevin nach vorne zu treten. Nevin sprang von seinem Pferd ab. Er erwartete gar nicht, dass man ihm erlauben würde, Dilek mitzunehmen.

  In Ketten wurde Nevin von einem Drachenj?ger nach vorne geführt. Der bullige Mann krallte seine H?nde so fest um das kalte Metall, dass seine Fingerkn?chel wei? hervortraten.

  Erst als sie direkt vor ihnen standen, legte der Riesenbüffel seinen Kopf ins Gras, sodass Elyon und Finan abspringen konnten.

  ?Bist du verletzt??, fragte sein Bruder und legte seine H?nde um Nevins Schulter. Finans Blick war weit ge?ffnet vor Sorgen. Hinter ihm trat Elyon auf sie zu, mit langsamen, fast vorsichtigen Schritten. Ihre Augen zusammengekniffen.

  Der Drachenj?ger zog die Ketten noch enger an, Nevins H?nde wurden dabei leicht zur Seite gerissen, ehe er sie wieder vor sich h?ngen lassen konnte.

  ?Mach dir keine Sorgen, ich bin nur ersch?pft. Das ist alles.? Er schenkte Finan sein bestes L?cheln, doch seine Mundwinkel fühlten sich schwach an. Und sein Bruder wirkte nicht sehr überzeugt, w?hrend er Nevin immer noch mit sorgenvollen Blicken beobachtete.

  ?Kaiser nichts angetan??, fragte Elyon, als sie vor ihm stand.

  ?Nur in einen dunklen Turm geworfen.?

  Elyons Nasenflügel bebten kurz, dann legte sich ihre Stirn in Falten. Sie streckte ihre Hand aus und tastete nach seinem Arm.

  ?Fluch riecht sehr stark.?

  ?Es ist gerade sehr schwer ihn zurückzuhalten?, gab Nevin zu.

  ?Prinzessin, mein Sohn ist noch am Leben und unverletzt. Wir sollten nun zu Euren Pl?nen kommen?, rief sein Vater mit barscher Stimme.

  Elyon zog die Brauen tief über ihre Augen, ehe sie, mit einer Hand auf Nevins Arm, an ihm vorbeilief und sich mit etwas Abstand vor dem Kaiser aufbaute. Der Drachenj?ger beobachtete w?hrenddessen nur die riesigen Tiere, die immer noch vor ihnen standen.

  ?Ich werde morgen in den Verbotenen Osten ziehen, um nach einer endgültigen L?sung für den Fluch zu suchen.?

  ?Und H?hental ist einverstanden? Haben sei ihre Grenzen etwa vollst?ndig ge?ffnet??, fragte Nevins Vater. Obwohl sein Gesicht sich kaum von seinem andauerndem, grimmigen Ausdruck ver?nderte, merkte Nevin das kurze Aufblitzen in den Augen seines Vaters, das zeigte, wie verwundert er war.

  ?Nein. Nur ich darf passieren?, erkl?rte Elyon gereizt.

  ?Hm. Und warum sollte ich Euch einfach so ziehen lassen? Woher soll ich wissen, dass Ihr tats?chlich wieder zurückkehrt??

  ?Weil ich es verspreche?, blaffte Elyon zurück.

  Sein Vater zeigte die Z?hne, doch dann fielen die Augen des Kaisers auf die braunen Kolosse hinter Elyon, die n?her herangerückt waren und das M?dchen, dem sie folgten, neugierig beobachteten. Es war wirklich ein vortrefflicher Zug von Elyon gewesen, die Herde mitzubringen. Selbst Aiks Augen zuckten immer wieder nerv?s zu den Tieren. Jetzt erinnerte Nevin sich auch wieder mal gelesen zu haben, dass Blitze und Donner den Riesenbüffeln ebenfalls nichts anhaben konnten.

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